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Zwangsbehandlung

Hipp, hipp, hurra !!!

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner zweiten Entscheidung, auch im Unterbringungsgesetz in Ba-Wü die Zwangsbehandlung zu nichten, noch mal nachgelegt und damit allen Relegalisierungsphantasien endgültig den Garaus gemacht:
Denn zusätzlich zu den schon im Beschluss vom 23.3.2011 aufgestellten Barrikaden gegen eine gesetzliche Regelung hat es in die Begründung des Beschlusses vom 12.10. im Absatz 41 folgendes festgeschrieben:
In Deutschland existieren, nachdem von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in den neunziger Jahren initiierte Versuche zur Etablierung medizinischer Standards für Zwangsbehandlungen nicht zu einem Ergebnis geführt haben (vgl. Steinert, in: Ketelsen/Schulz/Zechert, Seelische Krise und Aggressivität, 2004, S. 44 <47>), keine medizinischen Standards für psychiatrische Zwangsbehandlungen, aus denen mit der notwendigen Deutlichkeit hervorginge, dass Zwangsbehandlungen mit dem Ziel, den Untergebrachten entlassungsfähig zu machen, ausschließlich im Fall krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit zulässig sind.  Dass dementsprechend ein Bewusstsein hierfür in den medizinischen und juristischen Fachkreisen noch nicht allgemein verbreitet und eine gesetzliche Regelung, wie im Beschluss des Senats vom 23. März 2011 festgestellt, unverzichtbar ist, illustriert nicht zuletzt der vorliegende Fall, in dem weder die Klinik noch die Fachgerichte sich mit der Frage, ob beim Beschwerdeführer eine krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung besteht, auch nur ansatzweise auseinandergesetzt haben. 
Das ist eine dicke, fette Ohrfeige von den hohen Richtern an ihre unteren Kollegen und deren Filz mit den PsychiaterInnen!
Und damit die auch weh tut, haben wir die Neuigkeit dieses Beschlusses mit dem entsprechenden Link zum Urteil gleich am 20.10. allen Amtsgerichten per E-Mail mit der Bitte, sie an die jeweiligen Richterinnen und Richter des Betreuungsgerichts weiterzuleiten, zugesendet :-)

Dass die neue Entscheidung des BVerfG ein ziemlicher Knaller ist , das ist selbst der FAZ gleich aufgefallen. siehe z.B. hier:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/bundesverfassungsgericht-rechte-psychisch-kranker-straftaeter-gestaerkt-11499573.html

Dadurch, dass vom BVerfG der in den 90er Jahren aufgegebene Versuch einer Standardisierung referiert wird, zeigt sich das ganze Dilemma all derer, die immer noch nicht verstanden haben, dass inzwischen nur noch eine völlig gewaltfreie Psychiatrie irgendeine weitere Existenzchance hat. Denn der erwähnte Versuch in den 90er Jahren wurde ja nicht aus Mangel an Forschungsgeldern oder Mangel an wissenschaftlichem Engagement aufgegeben, sondern aus dem schlichten Grund, dass Psychiatrie an Haupt und Gliedern Willkür ist und sich entsprechend logischerweise und prinzipiell keine Standards entwickeln lassen. Deshalb war ja schon die Kritik von Georg Bruns, veröffentlicht in seiner Arbeit: "Ordnungsmacht Psychiatrie?  Psychiatrische Zwangseinweisungen als soziale Kontrolle" 1993 durchschlagend, obwohl sie nur eine interne Kritik war, die den psychiatrischen Krankheitsbegriff unangetastet ließ, sich aber auf empirische Ergebnisse stützen konnte.
Georg Bruns hat diese Kritik beim Foucault Tribunal 1998 ebenfalls vorgetragen, wie es im Film ab Minute 10:25 dokumentiert ist: http://www.youtube.com/watch?v=j_EST5EALZA
Der dann noch einmal 2007 von Prof. Thomas Kallert gemachte Versuch, sich mit einem von ihm organisierten Weltkongress über Zwangsbehandlung in Dresden (mit veranstaltet von der WPA!) zu Wort zu melden, ist dermaßen jämmerlich gescheitert, dass man sich noch heute vor Lachen biegen kann, siehe die Dokumentationen:
http://www.iaapa.de/wpa_protest.htm
http://www.iaapa.de/halli_kalli_dt.html
http://www.iaapa.org.il/image/users/46024/ftp/my_files/labels/blog/kalli_film.htm
http://www.youtube.com/watch?v=45kEgp_CJck
und wie sich Gert Postel bei der Gegenveranstaltung über Herrn Kallert lustig machte (ab Minute 4:53):
http://www.youtube.com/watch?v=NnV-O51YFE4

Das  BVerfG hat mit dem zitierten Hinweis klar gemacht, dass ohne eine Standardisierung von Seiten der Psychiatrie jeder Versuch einer Legalisierung psychiatrischer Zwangsbehandlung spätestens in Karlsruhe kassiert werden wird.
Der Prozess einer Standardisierung ist wegen innerer Widersprüche unmöglich.
Selbst wenn noch einmal ein solcher Versuch gemacht werden sollte, er würde (bis zu seinem vorhersehbaren Scheitern) eher Jahrzehnte als nur Jahre dauern, insbesondere weil sich das Racket sowieso versucht mit "Multifaktoriellen Modellen" ins Okkulte zu verziehen (siehe dieses Link). Womit wiederum unterstrichen wird, dass "Standardisierung" und die charakteristische psychiatrische Willkür diametrale Widersprüche sind.

So werden auch die flott dem "Schwäbischen Tagblatt" dahergesagten Sprüche des Herrn Helmut Zorell, Sprecher des Ba-Wü Sozialministeriums, auf dem harten Boden des GG aufschlagen und sich nur als ein völlig unangemessenes Plustern erweisen: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/ueberregional/baden-wuerttemberg_artikel,-Sextaeter-darf-Medikamente-verweigern-_arid,150417.html
Bis die umfassende Reform fertig ist, soll zunächst rasch das Unterbringungsgesetz geändert werden.
Mal eben ganz rasch soll ein unmögliches Gesetz aus dem Ärmel geschüttelt werden - Zorells Wille zur Missachtung des Grundgesetzes ist dabei allerdings unverkennbar.

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Anbei als pdf ein wichtiger Artikel aus der Zeitung "analyse und kritik" Nr. 564 vom September 2011:
Tödliche Psychiatrie
Auch nach dem NS Faschismus wurden Kranke ermordet
...Seit mehr als 3 Jahrzenten gibt es intensive Forschungen zu diesen Morden. Doch zumeist bleibt völlig außer Acht, dass Kranke sowohl vor der NS-Machtübernahme als auch nach Ende des zweiten Weltkriegs ermordet wurden, wie die hohen Mortalitätsraten der psychiatrischen Einrichtungen belegen.
Die Promotionsarbeit von Thomas Foth aus Ottawa geht den Fragen weiter nach, die wir durch unseren Protest bei der Eröffnung einer Ausstellung des deutschen Hygiene Museums 2006 öffentlich aufgeworfen hatten
http://www.iaapa.de/zwang3_dt/hygiene_museum.htm
und http://www.iaapa.de/zwang3_dt/ausstellung.htm.
Bei derselben Ausstellung im jüdischen Museum 2009 haben wir wiederum die volle Wahrheit zu dokumentieren gefordert. Offensichtlich ist dieser Ruf international wahrgenommen worden.

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Die Bundesjustizministerin Leutheuser-Schnarrenberger hat in einem Schreiben an die DGPPN deren Rechtsgutachten von Prof. Olzen schwer kritisiert: http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/stellungnahmen/2010/2010-09-16-min-schreiben-patientenverf%C3%BCgung.pdf
Einen wichtigen Punkt vermerkt sie dabei auf Seite 3 ihres Briefes.
Nur wenn Zweifel darüber bestehen, ob die Behandlungs- und Lebenssituation in der Patientenverfügung zutreffen...
...Erst dann gewinnt auch der in §1901 b BGB vorgesehene Dialog zwischen behandelndem Arzt und dem Betreuuer an Bedeutung.

Damit wird wieder die Überlegenheit unserer PatVerfü unterstrichen, weil sie so ein-eindeutig beschreibt, in genau welcher Phase ärztlicher Behandlung und ganz explizit genau bei welchen Krankheiten die Anweisungen der PatVerfü gelten  :-)

Dass sich Frau Leutheuser-Schnarrenberger mit so deutlicher Kritik zu dem Olzen Gutachten äußert, beweist einmal mehr das, was Prof. Wolf-Dieter Narr, RA Alexander Paetow, RA Thomas Saschenbrecker und RA Dr. Eckart Wähner in ihrem Sozialwissenschaftlich-
juristischem Memorandum über "Psychiatrie, Zwang, Selbstbestimmung und Wohl behinderter Menschen - Zur Geltung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland" dem Prof. Olzen nachwiesen und veröffentlicht hatten: Dass er ein Gefälligkeitsgutachten für die DGPPN fabriziert hat
Langversion: http://www.die-bpe.de/memo
Kurzversion: http://www.die-bpe.de/r-und-p
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