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Fachtagung des Bundesweiten Netzwerks Sozialpsychiatrischer Dienste

Der Tagungsbericht von Anka Meyer-Erfurt (Scheeßel), Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener Niedersachsen e.V., (LPEN e.V.) zu “SEGEL SETZEN 2014“ - Die Rolle der Sozialpsychiatrischen Dienste im Sozialraum - Fachtagung des Bundesweiten Netzwerks Sozialpsychiatrischer Dienste in Deutschland vom 20. - 21. März 2014 im Stadtteilzentrum KroKuS, Thie 6, 30 539 Hannover

Segel setzen“ als Motto ist als Arbeitsziel ganz akzeptabel und wird sicherlich gerne angenommen, weil es Erinnerung an maritime Erlebnisse weckt.

Zielvorstellung für die Zielgruppen zu beschreiben und Methoden des Erreichens zu suchen in dem beschriebenen „Sozialen Raum“ der Klienten, sollten die im System Handelnden erst mal entlang des maritimen Vergleichsangebots den sozialen Raum wahrnehmen, der Ausgangsort ihrer Bemühungen ist.

  Das „Vollschiff“ Soziale Psychiatrie bietet seinen Matrosen nach wie vor einen Handlungsraum, der durch eine antiquierte, authoritäre Hierarchie gekennzeichnet ist. Bislang ist der Arbeitsauftrag staatlichen Handelns für die Sozialpsychiatrie Lebensrettung mit allen Mitteln – möglichst niedrigschwellig + kostengünstig. D.h. Soziale Arbeit im staatlichen Auftrag wird nach wie vor definiert über die Ordnungsinteressen, die im BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch) beschrieben sind oder sogar im StGB (Strafgesetzbuch).

Dafür zu sorgen, daß sie befähigt werden, evtl. sogar soweit rehabilitiert zu werden, daß sie die Tätigkeiten der Matrosen selbst ausführen könnten, ist nicht vorgesehen. Das würde die Kapazität des Vollschiffes überfordern.

Bezeichnend für die Realitätsbezogenheit dieses Vergleiches ist z.B., daß die Matrosen des Vollschiffes den Schiffbrüchigen erst entdecken, wenn er außenbords angekommen bzw. aufgetaucht ist. Die vorrangige Aufgabe heißt “Lebensrettung”, aber an welchem Ort ? Das Vollschiff ist besetzt durch Matrosen, deren Aufgabe es u.a. auch ist, das Vollschiff unter Segel und auf Kurs zu halten, also wird erst mal das Rettungsboot gewassert und den Schiffbrüchigen als Überlebensram angeboten.

Segelsetzen wwäre eine schöne Sache, wenn der Kapitän die frische Brise aus der UN überhaupt für geeignet hielten, das Vollschiff auf neuen Kurs zu bringen. Eine tatsächlich Rettungstat des Matrosen stelle ich mir eher so vor:

 Treibholz sammeln, Flöße oder Boote zimmern, die die Schiffbrüchigen an neue Ufer oder paradiesischen Inseln bringen, auf denen sie selbstbestimmt ihre Lebensträume verwirklichen können. Dabei müßte ich als Überlebende leider feststellen, daß viele der Matrosen Angst haben zu dem Schiffbrüchigen ins Wasser zu springen, um mit ihm gemeinsam nach einer Planke zu suchen oder andere Bedingungen sich als hinderlich darstellen, die Koje des Matrosen ist zu weit im Bauch des Schiffes, er kann selbst nicht schwimmen, oder ist nicht in der Lage, den SOS Ruf des Schiffbrüchigen zu dechiffrieren. In diesem Fall ist Sinn und Zweck seines Daseins immer noch Teil der Besatzung des Vollschiffs zu sein und diesem Kahn am Laufen zu halten.

Wer von den Matrosen diese ironische Einlassung richtig verstanden hat, sollte spätestens jetzt die Koje verlassen und zumindest in die Funkerbude oder auf den Ausguck wechseln, dort hört oder sieht man nämlich am ehesten die Schiffbrüchigen, kann zu ihm ins Wasser springen und mit ihm nach allem fischen, das am neuen Ufer oder der Trauminsel zum Aufbau einer neuen Existenz notwendig oder brauchbar ist.

D.h. aber auch, daß der Retter keinen Bauchladen voller Angebote dabei haben kann, das könnte ihm nämlich nun selbst am Rettungsschwimmen hindern, im Gegenteil er muß mit dem Schiffbrüchigen im gleichen Wasser sich bewegen, lediglich ausgestattet mit Lebenskraft und Überblick, weil er bewußt über Bord gegangen ist, um den Schiffbrüchigen zu retten.

Manchmal reicht e schon, gemeinsam Wasser zu treten, bis die Wogen sich glätten oder sich aufs Wasser legen “Toter Mann”, das ist Entspannung pur und man kann die Tragfähigkeit des Wassers spüren. Von diesen Umweltgenüssen hatten die Matrosen, die Segel setzen lernen wollten, offensichtlich keine Ahnung. Sonst hätten sie die Fenster der Messe geöffnet und frischen Wind rein gelassen. Ich habe wegen der verbrauchten Luft auf das Angebot im Saal verzichtet und stattdessen “kontrolliert” welche Entwicklung sich im Aufbau von Trabantenstädten ereignet hat. Als ich 1968 meine Arbeit als Kindergärtnerin in der Berliner “Gropiusstadt” aufnahm, war dort eine Schlafstadt errichtet worden. Kronberg erscheint nur im Vergleich ein wohldurchdachtes Angebot eines “sozialen Raums”.

Der KroKuS ist ein gelungener Ort, an dem viele Anforderunen der Kritiker krativ + praktisch umgesetzt wurden. Das Grün im Stadtteil braucht bekannterweise etwas länger, die Planung ist aber auch auf diesem Gebiet sehr gut durchdacht.

Ich habe nach 30 Jahren im Rettungsring der Psychiatrien wieder wahrgenommen, daß ich Schwimmen kann. Außerdem hat mein Papa, der Marineoffizier war, dafür gesorgt, daß ich mir alle Fähigkeiten aneignete die zum Überleben auf hoher See nötig sind. Jetzt bin ich auf meinem Optimisten gelandet und führe selber Schot + Pinne und genieße den Wind in den Haaren und kann gelassen nach Schiffbrüchigen Ausschau halten, weil ich durch meine eigene Geshichte gelernt habe, wie retten geht und was Mensch zum Leben braucht.

Zuletzt verrate ich den geneigten Lesern noch eine maritime Lebensweisheit, die gerahmt am Bett meines Vaters aufgehängt war.

 Ehre sei Gott auf dem Meere, den er hat das Meer so weit bestellt und tat damit seine Weisheit kund, damit nicht ein jeder Lumpenhund – Womit die Erde so reichlich gesegnet – dem fröhlichen Seemann da draußen begegnet !”

Eure Klabauterfrau Anka

 

Die Tagungsdokumentation ist online unter:

 

 

www.sozialpsychiatrische-dienste.de/dokumentationen-materialien/veranstaltungen-2014/