Pressespiegel

Interview mit Ronald Kaesler

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(Delmenhorster Kreisblatt, 17.12.2009) Landesarbeitsgemeinschaft vertritt Psychiatrie-Erfahrene als Selbsthilfeverein. Ein selbstbestimmtes Leben für psychisch Kranke nennt der Delmenhorster Pressesprecher Ronald Kaesler als eines der wichtigsten Ziele des kurz LPEN genannten Vereins. Dieser sieht Psychopharmaka und Heimunterbringung kritisch. Von Sonia Voigt.

Ein selbstbestimmtes Leben für psychisch Kranke nennt die Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie Erfahrener Niedersachsen (LPEN) als wichtigstes Ziel. Was selbstverständlich klingt, ist längst nicht immer Realität, sagt der Delmenhorster Ronald Kaesler, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Selbsthilfevereins. ,,Psychiatrie-Betroffene sind in Rechtsstaaten die einzigen Menschen, denen die Freiheit entzogen werden kann, ohne eine Straftat begangen zu haben", sagt der 51-Jährige.
Mit Zwangseinweisungen müsse vorsichtiger umgegangen werden, da sie Betroffene oft traumatisiert hinterließen, warnt Kaesler. Die im Anschluss nötigen Therapieplätze seien oft nicht oder spät zu bekommen. Rund 120 Mitglieder zählt die 1995 gegründete Landesarbeitsgemeinschaft, ,,nicht jeder ist aktiv, je nachdem wie er gerade kann", erklärt der Delmenhorster. Menschen mit verschiedenen Diagnosen wie Schizophrenien, Psychosen oder manischen Depressionen versuchen über LPEN, die Lebensqualität Psychiatrie-Erfahrener zu verbessern.
,,Niedersachsen ist da teilweise rückständig. Wir bauen noch Wohnheime für psychisch Kranke, anderswo werden die schon wieder abgebaut", sagt Ronald Kaesler. So gibt es in Berlin ein ,,Weglaufhaus", das von Wohnungslosigkeit bedrohten psychisch Kranken eine Anlaufstelle außerhalb des psychiatrischen Systems bietet. Ähnliche Projekte helfen im Ruhrgebiet und im Saarland, psychische Krisen ohne Klinikaufenthalt zu bewältigen. Auch einige Krankenhäuser bieten unter dem Stichwort ,,Soteria" persönlichere, sanftere Behandlungsweisen an.
Während manche den ,,geschützten Rahmen" im Heim schätzen, fühlen andere sich dort beobachtet, weiß Kaesler als selbst Psychiatrie-Erfahrener. ,,Ambulante betreute Wohnformen, wie es sie auch in Delmenhorst gibt, bieten bessere Möglichkeiten", ist seine Meinung. Auch die Delmenhorster Tagesklinik kann eine Alternative zum stationären Aufenthalt sein. ,,Das Wichtige ist, dass man sein Lebensumfeld behalten kann", sagt Kaesler. In den viele Kilometer entfernten Landeskrankenhäusern sei Besuch teilweise nicht möglich. Danach falle der Wiedereinstieg schwer.
Als ,,zweischneidiges Schwert" bewertet die Landesarbeitsgemeinschaft Psychopharmaka. Zeitlich begrenzt könnten Medikamente helfen, Krisen zu durchleben, sagt Kaesler. ,,Aber im Grunde lösen Psychopharmaka keine Probleme", es sei nötig, sich mit dem ,,Inhalt der Verrücktheiten" auseinanderzusetzen. ,,Es kann nicht sein, dass jemand, der einmal eine Psychose hat, ständig mit hohen Dosierungen rumläuft und einen Großteil des Lebens gar nicht erfahren kann", betont Ronald Kaesler. Zudem seien gesundheitliche Auswirkungen zu befürchten. Wer über lange Zeit große Mengen Neuroleptika einnehme, sterbe auch früher, zitiert der LPEN-Pressesprecher Studien.
Außerdem setzen sich die Psychiatrie-Erfahrenen für Patientenanwälte und Vertrauensleute in Kliniken ein, die Betroffene bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen, zum Beispiel bei Zwangsmedikamentierung. Und die Landesarbeitsgemeinschaft rät zu Patientenverfügungen, in denen zum Beispiel die Ablehnung bestimmter Medikamente vermerkt wird, für Situationen in denen der Patient seinen Willen nicht äußern kann. In Betreuungsverfügungen können psychisch Kranke zudem einen Betreuer für den Notfall benennen, um die willkürliche Zuweisung zu vermeiden. Mehr erfahren Interessierte im Internet unter www.lpen-online.de.