Gleichstellung

(Feb. 2007, Doris Steenken, Lothar Grafe) Stellungnahme der LPEN zum Gesetzes-Entwurf: "Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen". Beim Entwurf zum Gleichstellungsgesetz ist uns aufgefallen, dass die Belange der psychisch Kranken nur unzureichend Berücksichtigung finden. Daher ist es uns wichtig, dass folgende Aspekte in dem Entwurf noch aufgenommen werden sollen:

Leider müssen Psychisch Kranke in der Psychiatrie oft Zwang und Gewalt über sich ergehen lassen, denen sie sich nicht entziehen können. Bei der Durchsetzung von Rechtsansprüchen aufgrund Behandlungsfehlern oder Zwang und Gewalt werden ihnen sehr hohe Hürden auferlegt, weil ihnen regelmäßig fehlende Einsichtsfähigkeit unterstellt wird. Unzulässige Zwangsbehandlungen werden immer wieder mit einer angeblichen psychischen Erkrankung des Patienten gerechtfertigt. Dieser Umstand stellt eine Benachteiligung gegenüber somatischen Patienten dar.

Die Patientenverfügung in der derzeitigen Form umfasst lediglich Tatsachen, die körperlich Kranke betreffen, z. B. Wachkoma. Zur Zeit deckt die Patientenverfügung nur die Ablehnung von lebensverlängernden medizinischen Maßnahmen ab. Der Umfang der Patientenverfügung sollte auch auf die Behandlung im psychiatrischen Bereich ausgeweitet und rechtlich abgesichert werden.

Einem psychisch Kranken sollte auch das Recht eingeräumt werden, in der Patientenverfügung festzulegen, welche Medikamente er verträgt und welche er grundsätzlich ablehnt. Außerdem muss er mit Hilfe der Patientenverfügung Gewalt und Zwangsbehandlungen sowie Fixierungen verhindern können. Ebenso muss ihm zugestanden werden, dass er eine freie Wahl der Klinik bekommt, sofern er dies in der Patientenverfügung benennt. Bei Zuwiderhandlung seitens der Behandler muss eine strafrechtliche Verfolgung stattfinden.

Eine massive Ausgrenzung in vielen gesellschaftlichen Bereichen erleben Psychisch Kranke täglich. Es beginnt zum Beispiel bei der Wohnungssuche und hört bei der Suche nach einer für ihn geeigneten Arbeitsstelle noch nicht auf.

In der Arbeitswelt findet auch eine Benachteiligung und Ausgrenzung psychisch Kranker statt. Den Betrieben wird es durch Zahlung einer Ausgleichsabgabe leicht gemacht, einen Behinderten nicht einstellen zu müssen, obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu ab einer bestimmten Betriebsgröße (Mitarbeiterzahl) besteht. Durch die Zahlung der Ausgleichsabgabe entziehen sie sich der sozialen Verantwortung gegenüber Behinderten und "kaufen sich davon frei". Eine drastische Erhöhung dieser Ausgleichsabgabe könnte die Betriebe zum Umdenken zwingen. Es wäre durchaus auch wünschenswert, die Ausgleichsabgabe Behinderten- und Selbsthilfeorganisationen zukommen zu lassen. Um auch Behinderten den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sollten Reha-Programme gefördert und ausgebaut, statt gekürzt zu werden.

Psychisch Kranke sollten in psychiatrischen Einrichtungen eingestellt werden, da sie über eine Kompetenz verfügen, die Gesunden vorenthalten ist. Durch ihre Erfahrungen sind sie oft besser in der Lage, Psychiatrie-Patienten zu verstehen und vertrauensvoll zu betreuen. Patienten sind "Experten in eigener Sache". Dieses Erfahrungswissen ist nicht als universitärer Studiengang zu erwerben.

Psychisch Kranke werden viel zu oft in "Werkstätten für behinderte Menschen" abgeschoben, um dort für einen viel zu niedrigen Lohn zu arbeiten. Dieser Lohn ist nicht ausreichend, um deren Existenz zu sichern. Es wird argumentiert, dass man aufgrund der derzeitigen Arbeits- und Wirtschaftslage doch froh sein müsse, überhaupt dort arbeiten zu "dürfen".

Ab 01.01.2008 wird das "Persönliche Budget" bundesweit eingeführt. Vorgesehen ist, dass Leistungen durch Fachleute (z. B. Sozialarbeiter, Psychotherapeuten...) erbracht werden. Wir sehen die Gefahr, dass bei den Leistungen, die durch Fachleute erbracht werden, die Selbstbestimmung des psychisch Kranken negativ beeinflusst wird. Daher sollen Leistungen zum "Persönlichen Budget" weitestgehend Psychisch Kranke erbringen können. Dazu gehört u. a. Auch Die Budgetassistenz, um das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu gewährleisten.

Auch werden Behinderten hohe Hürden auferlegt, um das Recht auf Grundsicherung in Anspruch zu nehmen. Ausufernde Bürokratie schreckt Behinderte und psychisch Kranke davon ab, ihr Recht geltend zu machen. Es stellt für diese Gruppe eine außergewöhnliche Belastung dar, alljährlich alle Formulare erneut auszufüllen, um die Grundsicherung verlängert zu bekommen. Es wäre für alle Beteiligten eine Entlastung, lediglich die Änderungen zu vermerken.

Behinderte stoßen immer wieder auf Schwierigkeiten, wenn sie ihre gesetzlich zuerkannten Rechte vor allem im sozialen Bereich geltend machen wollen. Daher ist es unbedingt vonnöten, flächendeckend Beratungsstellen, vor allem im juristischen und sozialen Bereich, für Psychisch Kranke / Behinderte einzurichten. Die Beratungsstellen könnten auch durch Behinderte besetzt werden.

Es fällt auch auf, dass Psychisch Kranke und deren Belange kaum Gehör finden. Abhilfe könnte hier ein Sitz in allen psychiatriepolitisch relevanten Gremien schaffen. Auch Psychiatrie-Erfahrene haben Interessen, die sie in angemessener Form vertreten haben wollen.