Beschluss

(17.01.2006) Stellungnahme der LPEN zum Beschluss des Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung vom 09. 11. 2005. Der o.g. Beschluss erreichte die Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener Niedersachsen (LPEN) in diesen Tagen. Mit großem Befremden über die Zentralaussage dieses Beschlusses für den Erhalt der Zwangsbehandlungen In der Psychiatrie nehmen wir dazu Stellung und appellieren an den "gemeinsamen" rechtsstaatlichen Grundgedanken.

Aufgrund der aktuellen Diskussion fordert der Ausschuss mit dem Ton andeutender Beredsamkeit in seinem Beschluss, dass "aufgrund klarer rechtlicher Grundlagen" nicht "skandalisiert" werden soll und beschreibt als vordringlich gebotenen und einzig gangbaren Weg, die konsequente Anwendung bestehender Gesetze.

Seit 1992 ist die rechtliche Grundlage eindeutig. In der Reform des Betreuungsrechts gibt es schlicht und ergreifend keine gesetzliche Grundlage für Zwangsbehandlung auf Antrag eines Betreuers.

Wir fragen uns, wie konnten mehr als 13 Jahre die in gängiger Praxis immer wieder ausgeübten rechtswidrigen Grund- und Menschenrechtsverletzungen - aufgrund der Eingriffstiefe der bewusstseinsverändernden Medikamente von den Betroffenen als Folter erlebt - ignoriert werden?

Diesen Skandal dadurch zu vertuschen, dass berechtigte Kritik der psychiatrischen Misshandlungen als "Skandalisierung" verunglimpft wird, ist eine menschenverachtende Verhöhnung der Betroffenen.

Am 11. Oktober 2000 (Az. XII ZB 69/00) entschied der Bundesgerichtshof, dass eine ambulante Zwangsbehandlung im Rahmen einer Betreuung u.nzulässig ist. Darauf bezieht sich das uns allen bekannte GeIler OLG-Urteil dieses Herbstes.

Der Ausschuss ist sich offenbar nicht der menschenrechtlichen Bedeutung dieses Urteils bewusst, denn er verweist bei Nichtanwendung angeblich "nötiger" Zwangsbehandlung Betreuter auf "die Verletzung berufsethischer Grundlagen und Sorgfaltspflichten" hin.

Die allumfassende Vernunftshoheit der Ärzte als "Richter in Weiß" gehört endgültig der Vergan-genheit an. Der "psychiatrische Patient" kann sich erfolgreich auf sein Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit berufen. Handlungen der Ärzte gegen den "erklärten Willen" eines Patienten wie z.B. Zwangsmedikation werden künftig ein Korrektiv dahingehend erfahren, dass diese sich in einem solchen Fall, wie gültig in der Allgemeinmedizin, dem "Verdacht eines strafbaren Handeins" aussetzen.

Diesem Beschluss liegt ein Menschenbild zugrunde. das sich der wissenschaftlich vielmals wider-legten medizinisch-biologistischen Mär vom "unheilbar psychisch Kranken" schuldig macht. Entsprechend eindeutig ist folgende Aussage sich "alle rechtlichen Möglichkeiten einer Kontrolle offen zu halten".

Jeder, nicht nur der Betroffene sondern auch der Ausführende der Gewalt in der Psychiatrie, weiß, das dies der Willkür weiterhin Tür und Tor offen hält.

Die Adressaten dieses Beschlusses werden aufgefordert, Schritte zu unternehmen, die für die ehemals rechtswidrige Praxis eine neue Fassade konstruieren, um diese unverändert fortsetzen zu können.

Nur dafür dient der Hinweis, dass der "ewig psychisch Kranke" durch "Inkonsequente Notfallpsychiatrie" zum "Maßregelvollzugspatienten" mutiert, welches ein Schlag ins Gesicht eines jeden Psychiatrie-Erfahrenen ist und jeglicher Grundlage entbehrt. Unverhohlener und verletzender ist in der Geschichte noch keiner schon von den Nazis verfolgten Gruppe mit Kriminalisierung gedroht worden. Beweist doch auch die Wirklichkeit, dass Psychiatriepatienten sich gleich oder weniger kriminalisieren als OTTO NORMAL.

Mit dem Hinweis auf "zu erwartende Ereignisse wie Mord und Totschlag" werden wir dämonisiert und durch den Verweis auf unsere Gefährlichkeit wird nallen rechtlichen (sprich zwangspsychiatrischen) Kontrollen" der Boden bereitet.

Der Beschluss weist weiterhin daraufhin in derartigen Fällen einen Verfahrenswechsel von der betreuungsrechtlichen Unterbringung zum NPsychKG zu betreiben. Der Betreuer wird angewiesen eine Klippe zu umschiffen um Unrecht zu geltendem Recht zu machen. Die Umkehrung der Verfahrenswechsel hält der Ausschuss für rechtlich fragwürdig. Fragwürdig, weil der Betreuer dann Eingestandenerweise keine Macht mehr hat? Die Unterstützung der Weiterentwicklung von bundeseinheitlichen fachlichen Leitlinien für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie hilft allenfalls dem Status der Professionellen.

Wir weisen aufs Schärfste den Versuch zurück, mit mehr ärztlichem Machtanspruch, den Willen der Patienten weiterhin zu brechen und die Würde zwangsbehandelter Menschen zu negieren.

Diese medizinische Missionierung mit dem Schwert ist gegen unser Wohl gerichtet.

Wir verurteilen den menschenverachtenden Beschluss des Ausschusses und rufen die Vertreter der Ministerien und alle Mitglieder des Landtags auf, dem Beschluss des Ausschusses zu widersprechen. Totschweigen und Aktenablage reichen an dieser Stelle nicht aus.